Marijke Moser – Vorläuferin abseits der Bahn

Am 7. Februar 1971 wurde das Frauenstimmrecht auf Bundesebene angenommen. Einen Monat später, am 5. März 1971, gewann Marijke Moser ihren ersten Schweizer Meistertitel im Crosslauf. Doch die gebürtige Holländerin gab sich damit nicht zufrieden und schickte sich an, eine nationale Laufrevolution anzuzetteln.  

Ausgerechnet beim traditionsreichsten aller Schweizer Läufe, dem Murtenlauf, scherte sich Marijke Moser 1971 um das geltende Startverbot für Frauen und lief heimlich im reinen Männerfeld mit – bis sie von den Sicherheitskräften (!) aufgehalten wurde. Die «Schwarzläuferin», die am 13. November ihren 75 Geburtstag feiert, schildert ihre Pioniertat heute so: «Mein Ex-Mann (Albrecht Moser – die Red.) lief damals selber mit. Da dachte ich: Was soll ich hier am Strassenrand frieren? Ich renne auch! Dann lief ich einfach los…»

1973, anlässlich der 40. Auflage des Gedenklaufs, wendete die Cross-WM-Siebte einen ähnlichen Trick an wie Kathrine «Kathy» Switzer beim Boston-Marathon 1967. Im Gegensatz zu ihrem US-amerikanischen Pendant (K. V. Switzer) meldete sich Moser, geborene Van de Graaf, jedoch nicht mit ihren Initialen an, um an eine Startnummer zu gelangen, sondern mit einem männlichen Namen. Kurz vor dem Ziel wurde «Markus Aebischer» aus dem Rennen genommen und tauchte deswegen nicht in den Ranglisten auf.

Markus folgt auf «Markus»
1974 fand die Berner Vorläuferin einen anderen Markus als Nachahmer: STB-Vereinskollege Markus Ryffel. Der 19-jährige U20-Rekordhalter über 5000 m und 10 km startete unter dem Namen seines älteren Bruders Urs und wurde Dritter. Allerdings bloss inoffiziell. «Disqualifikation» lautete das Verdikt – wie im Fall von Marijke Moser ein Jahr zuvor. Grund war ein vermoderter Passus, der den Junioren die Teilnahme über die Originalstrecke ebenso untersagte wie den Frauen.

Erst 1977 wurde sowohl den Junioren – ab dem 18. Altersjahr – als auch den Frauen – ab dem 19. Altersjahr (!) – das Startrecht beim Herbstklassiker über die 17,150 Kilometer zugesprochen. Sechs Monate nach der Geburt ihrer Tochter Mirja durfte sich Marijke Moser als erste offizielle Siegerin feiern lassen. Sie trug dabei das Shirt des 1975 gegründeten Spiridon-Clubs (siehe unten).

Der lange Atem hatte sich gelohnt: Am 23. April 1978 wurde die Olympia-Teilnehmerin von 1972 über 1500 m, damals die längste Bahndistanz für Frauen, erste Schweizer Marathonmeisterin in Schaffhausen, bejubelt von 7000 Schaulustigen und beglückwünscht von Albrecht Moser, der Titelverteidiger Richard Umberg (ebenfalls STB) auf Rang 2 verwies.

Spiridon schneller als der Verband
Die Lauf- und Joggingwelle der USA schwappte allmählich auch in die Schweiz über.  Grossen Anteil daran hatte die Westschweizer Laufzeitschrift «Spiridon», 1972 lanciert von Chefredaktor Noël Tamini und dem zweifachen Murtenlauf-Sieger Yves Jeannotat. «Spiridon» erhob den eher elitären Wettkampf- zum Breiten- und Gesundheitssport – zum «Laufsport für alle». Parallel dazu schossen neue Laufveranstaltungen wie Pilze aus dem Boden, sei es in den Städten (Corrida Bulloise 1976, Silvesterlauf Zürich 1977, Luzerner Stadtlauf 1978, L’Escalade 1978, 20 km de Lausanne 1982, Grand-Prix Bern 1982, Basler Stadtlauf 1983), auf dem Land (Hallwilerseelauf 1975, Kerzerslauf 1979, Greifenseelauf 1980, Reusslauf 1983) oder in den Bergen (Sierre-Zinal 1974, Aletsch-Halbmarathon 1986, Swissalpine Davos 1986).

Während diese rasch wachsenden (Volks-)Läufe die Massen ebenso zu begeistern vermochten wie die Elite, wusste der junge Schweizerische Leichtathletik-Verband nicht so recht, wie er mit den einst als «wild» taxierten Hors-Stade-Veranstaltungen umgehen sollte. Ähnlich erging es den internationalen Leichtathletik-Verbänden, die sich nur für die Cross- und Marathonmeisterschaften verantwortlich fühlten. So kam es, dass die 1984 gegründete World Mountain Running Association (WMRA) – wie im Boxen – bald eigene Berglauf-Europa- und Weltmeisterschaften durchführte. 1987 gelangte die erste von bis dato vier «World Trophies» in der Schweiz zur Austragung (seit 2009 WM).    

Ebenfalls 1987 erhielten die Schweizerinnen – auf Initiative von Markus und Jacqueline Ryffel – ihren eigenen (Frauen-)Lauf. 1998 fand im Rahmen des Greifenseelaufs erstmals eine offizielle, das heisst von der IAAF anerkannte und vom SLV organisierte (Halbmarathon-)WM in der Schweiz statt. Mittlerweile boomen die (Halb-)Marathons, florieren die Bergläufe und im Ultra- respektive Trail-Lauf gibt es jährliche Schweizer Meisterschaften. Selbstverständlich für beide Geschlechter.

(sto)

Bisherige internationale Laufmeisterschaften in der Schweiz:

23.03.1986 14. WM Cross     Colombier
23.08.1987 3. WM Berglauf (World Trophy)     Lenzerheide
08.09.1991   7. WM Berglauf (Wold Trophy)   Zermatt
27.09.1998   7. WM Halbmarathon (IAAF)         Uster
09.12.2001  8. EM Cross (European Athletics)  Thun
15.06.2002    WM Marathon (CISM)    Biel
29./30.03.2003  31. WM Cross (IAAF)      Lausanne/Avenches
08.08.2004 1. WM Berglauf Langdistanz (World Challenge) Sierre-Zinal
15.09.2007 23. WM Berglauf (World Trophy)   Ovronnaz
07.09.2007 4. WM Berglauf Langdistanz (World Challenge)  Jungfrau-Marathon
14.09.2008 24. WM Berglauf (World Trophy)  Sierre-Crans Montana
23.02.2008  53. Cross-WM (CISM)       Thun
07./08.09.2012 9. WM Berglauf Langdistanz (World Challenge) Jungfrau-Marathon
16./17.08.2014 22. EM Marathon (European Athletics) Zürich (Leichtathletik-EM)
04.07.2015 12. WM Berglauf Langdistanz (IAAF)    Zermatt
07.07.2019      25. Berglauf-EM (European Athletics)   Zermatt