2001 – das fantastische Jahr des Weltmeisters

Vor zwanzig Jahren wurde André Bucher im kanadischen Edmonton Weltmeister über 800 Meter. Er krönte damit eine unvergleichliche Karriere, die 1994 mit 1500-m-Silber an den U20-Weltmeisterschaften international begonnen hatte.   

Es war der 8. August 2001, 4.50 Uhr Schweizer Zeit, als André Buchers grosse Stunde schlug. Die halbe Sportnation hatte den Wecker gestellt, um den 800-m-Final mit dem damals knapp 25-jährigen Favoriten live am Fernseher zu verfolgen. Der Athlet der Läuferriege Beromünster suchte das Rampenlicht nie – und doch hatte er im Vorfeld der Welttitelkämpfe die ganze Aufmerksamkeit auf sich gezogen.

Zweckgemeinschaft der Nichtsprinter
Seit der Hallen-WM 2001 in Lissabon, als der Schützling von Andy Vögtli und Christoph Schmid Bronze geholt hatte, war er über die zwei Bahnrunden ungeschlagen. Rom, Lausanne, Paris, Monaco: An allen Meetings hatte der Luzerner triumphiert. Von der Spitze weg. Sein Problem: Er kam ursprünglich von den längeren Strecken – 1996 bestritt an der Cross-WM noch die Langdistanz (12,15 km!) – und war kein geborener Sprinter.

Letzteres galt auch für Wilfried Bungei, 2001 Aussenseiter, 2008 Olympiasieger in Beijing. Wollten der Kenianer und der Schweizer in Edmonton eine Medaille erringen, mussten sie eine Zweckgemeinschaft bilden und die Flucht nach vorne antreten. «Beim gemeinsamen Auslaufen nach dem Halbfinal einigten wir uns auf einen schnellen Endlauf», verriet André Bucher dem Swiss Athletics Magazin vor zehn Jahren.  

Die Crux mit den Schnürsenkeln  
Zuvor gab es allerdings noch ein anderes Problem zu beheben. «Vor dem Halbfinal hatte sich eine Öse im Schuh gelöst», erzählt der schnellste Schweizer aller Zeiten von 600 m bis 1000 Meter, «das war nicht optimal im Hinblick auf den Final.» Vor allem nicht für den Kopf. Doch Hilfe nahte auch hier – in der Person von Cornelia Bürki. Die frühere Spitzenläuferin, 1987 WM-Vierte über 1500 m und 3000 m, betreute in Edmonton nicht nur die 1500-m-Olympiafinalistin Sabine Fischer (LC Rapperswil-Jona), sondern flickte auch Buchers Lieblingsschuhe wieder zusammen.

Der Rest ist Geschichte: Die Schuhbänder hielten und die kenianisch-schweizerische Taktik ging auf: Bungei machte auf den ersten 500 Metern Tempo, ehe ihn Bucher ablöste und in 1:43,70 den ersten Schweizer WM-Titel in einer Laufdisziplin nach Hause brachte. Für den Innerschweizer war die Genugtuung umso grösser, als er im Olympiafinal ein Jahr zuvor vom Italiener Andrea Longo aus der Bahn bugsiert worden war und eine Medaille als Fünfter knapp verpasst hatte. «Vielleicht brauchte es die Erfahrung von Sydney, um Weltmeister zu werden», mutmasst der Frontrunner, der auf die Saison 2001 hin noch härter, noch konsequenter trainierte als je zuvor.

Erst die Pflicht, dann die Kür       
Es lohnte sich. Nicht nur wegen des WM-Titels. Nach der «Pflicht» in Edmonton liess André Bucher die Kür folgen. Für grosse Feiern und Empfänge, die ohnehin nicht seine Sache waren, blieb kaum Zeit.

Stattdessen versetzte er die Fans beim Heimmeeting Weltklasse Zürich mit seinem Rekordsieg (1:42,55) in schiere Ektase, partizipierte am Golden-League-Jackpot und gewann in Melbourne die Gesamtwertung des IAAF-Grand-Prix (vor Hürdensprintlegende Alan Johnson). Hinzu kamen die Auszeichnung zu «Europas Leichtathlet des Jahres» und Rang 3 bei der Wahl des Welt-Leichtathleten (hinter den Serienweltmeistern Hicham El Guerrouj und Maurice Greene). Selbst die sonst eher zurückhaltende NZZ sprach in Buchers Fall von einem «fantastischen Jahr 2001». Ein Jahr, das der Rekordläufer wie schon 2000 als Schweizer Sportler des Jahres beendete.

Sieben Jahre von 1500-m-Silber bis 800-m-Gold
Zurück auf europäischer Ebene, holte der Freiluft-Weltmeister und Hallen-WM-Dritte 2002 in Wien (indoor) und München (outdoor) sein viertes respektive fünftes Edelmetall auf Elitestufe: Silber über 800 m. Wie schon 1999 an der Universiade, 1998 an der EM und 1997 U23-EM, 1995 an der U20-EM und 1994 an der U20-WM in Lissabon, damals noch über die dreidreiviertel Bahnrunden. Sieben Jahre dauerte André Buchers Transformation vom Junioren-Vize-Weltmeister über 1500 m zum Weltmeister über 800 m.

Eine Transformation, die allmählich ihren Tribut forderte. Im Frühjahr 2007 zog der studierte Primalehrer einen Schlussstrich und trat der Gesundheit zuliebe zurück. Geblieben sind «viele schöne Erinnerungen und die Freude am Laufen». Die hat sich der vierfache Familienvater und Firmengründer bis heute bewahrt.  

(sto)